Samstag, 17. Juni 2017

Auch Rentiere sind Morgenmuffel

Die Schnaken haben mich nicht aufgefressen, allerdings habe ich auch die Fenster zu gelassen. Um halb sechs wache ich gut erholt auf. Wenn schon ein See da ist, wird darin natürlich auch die morgendliche Katzenwäsche gemacht. Heute ist ein Rentiertag: direkt neben der Straße liegt eine ganze Herde und schläft sich noch gemütlich aus. Kurz darauf verrichten einige Tiere ihre Morgentoilette in aller Seelenruhe mitten auf der Straße. Sie scheren sich nicht um uns. Mit dem Motorrad scheine ich viel gefährlicher zu sein, denn bis man da den Foto ausgepackt hat, sind längst schon alle weg. Kurz darauf genießt die näachste Herde ihr grünes Frühstück am Straßenrand. Erst die vierte Herde, die ich heute sehe, beeilt sich bei der Starßenüberquerung etwas. Außerdem gibt es heute morgen noch einen Fischreiher direkt und ganz stolz neben der Straße und einen weiteren hellroten Fuchs, der mich erstaunt ansieht.
Bis auf wenige Kilometer, die der Straßenzustand meinen Anhänger ganz schön schwanken läßt, läuft alles Bestens. Ich bin schon die ganze Zeit gespannt auf die norwegische Grenze - ob ich wohl kontrolliert werde? Natürlich! So ein Gefährt mit Anhänger, das ist auf jeden Fall verdächtig. Ausweis will der Grenzer nicht sehen, dafür unterhält er sich gern mit mir. Ich erkläre, daß ich in Norwegen bauen will und jede Menge Werkzeug dabei habe. Und gebrauchte Küchengegenstände. Leider könne er meine Ladung kaum inspizieren, da die Aufbauten gut verschraubt sind. Von neuem Fernseher oder Mikrowelle sage ich natürlich nichts. Dafür gebe ich gleich 2 Flaschen Wein an. Durch enge Spalte und unter die Plane spickt der freundliche Zöllner mit der Taschenlampe. Dann läßt er mich weiterfahren.



Schwedischer Sommer - von früh bis ...Norwegen! Pünktlich an der Grenze sinkt die Temperatur um 6 Grad, die Wolken hängen an den Berggipfeln und Richtung Tal entleeren sie sich in typisch norwegischem Dauerregen. Bis zum Meeresspiegel hängen die Wolken, so daß ich auch die Straße kaum sehen kann. Trotzdem finde ich meinen Bauplatz. Meine Hütte ist schon dort, aber noch gut verpackt. Auf dem Grundstück wird es eng, so daß ich den Hänger gegenüber bei den Bootshäusern abstelle und mich ohne ihn auf die Suche nach Viggo mache.
Viggo hat uns für die Bauzeit ein Haus vermietet. Über den Campingplatz finde ich eine Telefonnummer, unter der sich sein Schwiegersohn Jardar meldet und mir den Weg zum Haus erklärt. Jardar ist schon über 60 und pensioniert. Er war bei der Marine Chefingenieur und spricht gutes Englisch. Viggo und seine Frau Ronda sind mit Hochdruck am putzen und reparieren des Hauses, mit mir haben sie wohl erst ab Montag gerechnet. Macht nix, sie werden fertig, erklären mir alles und wir radebrechen in allen möglichen Sprachen. Eigentlich wohnen die beiden im Haus gegenüber aber heute Nacht werden sie wohl in ihrer Hütte im nächsten Ort bleiben. Ich bin auch sehr müde, im Ofen knistert ein kleines Feuerchen - gute Nacht!

Freitag, 16. Juni 2017

Inlandsvägen

Der "Inlandsweg" ist eine Nord-Süd-Verbindung, die zwischen der Ostseeküste und der norwegischen Grenze mitten durch Schweden verläuft. Guter Fahrbahnbelag, lange Geraden, weite Kurven und nur leichte Steigungen bieten fahrerisch keinerlei Herausforderungen.

Um 6:45 geht's wieder weiter. Bis kurz nach 10 Uhr abends bin ich unterwegs. Pausen gibt es nur zum essen, tanken, Toilette oder kurz mal ein Nickerchen. Irgendwie wird die Entfernung einfach nicht weniger... Immerhin kann ich einen 70er Schnitt fahren, das ist besser als auf deutschen Autobahnen. Nur an wenigen Stellen ist die Strecke dreispurig, sonst ähnelt sie einer mittleren deutschen Bundesstraße. Allerdings ist sehr wenig Verkehr - und da sich fast alle an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, gibt es auch fast keine Überholmanöver. Lediglich um die Mittagszeit kommt etwas mehr Verkehr auf und leider sind dabei auch 2 oder 3 Schwertransporter, die den Verkehr ziemlich einbremsen. Bis ich überholen kann, zieht es sich doch eine zeitlang hin.


Eigentlich könnte ich viel mehr von der Landschaft sehen, als auf dem Motorrad - ich sitze höher und habe jede Menge Zeit zum schauen. Kevin (so hat meine Tochter Kathi den Amarok getauft) dieselt und grummelt gleichmäßig und ermüdend vor sich hin, der Tempomat verdammt mich zur Untätigkeit...nicht mal im Getriebe rumrühren darf ich. Die Klimaanlage temperiert perfekt nach Wunsch. Die Landschaft zieht wie im Film vorbei - ich kann sie nicht erleben. Die Augen brennen und sind müde, mir ist langweilig. Natürlich ist Motorrad fahren anstrengender, aber dadurch erlebt man ja auch viel mehr. Hier in meiner Kabine rieche ich keinen Fluss, wenn ich über die Brücke fahre, ich friere nicht, wenn es draußen schüttet, ich spüre die Sonne nicht auf der Haut - aber Nicht-Motorradfahrer können das wohl nicht verstehen. Mir fehlt was. Na ja, ich bin ja nicht zum Vergnügen hier, sondern zum Bauen!
Einzige Abwechslung ist ein Fuchs, der sich lange überlegt, ob er meinetwegen die Straße verlassen soll. Letztendlich entschließt er sich doch dazu und bringt seine Beute, einen großen Marder, in Sicherheit.

Letzlich sind es doch "nur" 890 km, als ich kurz hinter Storuman anhalte. Es ist ein großer Schotterplatz zwischen Straße und See. Ach, ist der See wieder mal herrlich - so spiegelglatt vor dem Sonnenuntergang (ich bin ja noch nicht gannz am Polarkreis). Eigentlich möchte ich dort ein wenig verweilen und das warme Wasser an den Füßen genießen, aber die Schnaken vertreiben recht schnell. Zum Glück ist der See ca. 20 m vom Auto weg - hoffentlich wissen das auch die Schnaken.

Die ersten Kilometer

Gestern Abend bin ich etwa um 18 Uhr losgefahren. Mein Navi zeigt an, ich wäre etwa um 1 Uhr morgens in Rostock an der Fähre. Ich glaube das rechnet mit einem Durchschnitt von 100 km/h. Mit dem Anhänger darf ich allerdings nur 80 km/h fahren. Ich habe keine Probefahrt gemacht, und jetzt habe ich kein gutes Gefühl. Wenn ich in den Rückspiegel schaue hüpft der Anhänger doch ziemlich umher. Er ist leicht, ungefedert, hoch gebaut, hat eine schmale Spurweite und rollt auf seinen Ballonreifen dahin wie ein Gummiball. Die vorgeschriebenen 80 halte ich daher ganz gerne ein, wenn ich überhaupt so schnell fahren kann. Die Straßen- und Verkehrsverhältnisse in Deutschland sind wie immer grausam. Ich kämpfe mich von Stau zu Stau, von Baustelle zu Baustelle und der Anhänger hüpft auf den unebenen Straßen vor sich hin. Das Navi zählt die Ankunftszeit in Rostock kontinuierlich hoch. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit liegt letztendlich bei knapp 60 km/h. Als ich gegen Mitternacht müde werde und beschließen für heute Schluss zu machen, finde sich auf lange Strecke keine Parkmöglichkeit. Alle Parkplätze und Raststätten sind von der Einfahrt bis zur Ausfahrt lückenlos zugeparkt. Gegen 1 Uhr nachts erst finde ich doch noch ein kleines Plätzchen und lege mich auf die Rückbank zum Schlafen hin.

Bereits um 4:30 Uhr Uhr wache ich zum ersten Mal auf und beschließe, sofort weiter zu fahren. Ich habe mich entschieden, doch nicht die Route über die Brücken einzuschlagen, sondern die Fähre zu nehmen damit ich noch etwas schlafen kann. Unterwegs buche ich mir das Ticket, komme gegen 8 Uhr am Hafen an und kann noch etwas frühstücken bevor das Schiff um 9 Uhr ablegt. Eine Stunde Augenpflege ist immerhin möglich.

So groß ich mir mit meinem großen Auto und dem Anhänger immer vorkomme, so mickrig und klein bin ich auf der Fähre zwischen den riesengroßen Sattelschleppern.
In Dänemark und Schweden fährt es sich sehr viel entspannter. Die Straßenbeläge sind sehr gut, die Verkehrsdichte ist deutlich geringer und so kann ich den Tempomat auf entspannte 90 bis 95 einstellen. Mein Amarok fährt ganz alleine, ich muss nur aufpassen dass ich das Steuer nicht verreisse.
Müdigkeit begleitet mich. Meine neue Heimat erwartet mich (die Regenmacherin) schon - es regnet dort. Auch für die nächsten Tage ist Regen angesagt. Mit wenigen kurzen Pausen halte ich durch bis 18 Uhr, dann muss ich mich auf einem wunderschönen Waldparkplatz neben der Autobahn hinten ins Auto legen und etwas schlafen. Nach zwei Stunden treibt es mich aber noch etwas weiter.

Hinter Örebro möchte ich eigentlich Station machen, aber ich wusste nicht mehr, dass hier die Wildnis beginnt. Hier kannst du fahren ohne Ende - kein Verkehr; hier musst du aber fahren ohne Ende - kein Parkplatz! Kurz vor 1 Uhr nachts finde ich endlich einen schmalen Randstreifen....gute Nacht.