Montag, 3. Juli 2017

Wo ist die Abschleppöse?

...nein nicht der Tank - ich fahr ja keinen Audi...

Ich bin heut wohl immer noch etwas verpeilt. Ich warte im Bett, bis die Jungs auf der Baustelle verschwunden sind - ich darf da ja nicht mit. Frühstück und Internetrecherchen, was man noch so alles brauchen kann und was man geschenkt bekommen kann. Es gibt z.B. eine Reihe gebrauchter Möbel, die man umsonst bekommen kann. Nur, wohin damit, wenn ich die jetzt schon abholen kann oder soll? Die Leute wollen ihre Sachen ja schnell los werden, aber meine Hütte wird noch 2-3 Wochen dauern.
Aber irgendwann fällt mir hier auch nichts mehr ein, also fahre ich doch raus. Schaue ein bischen hier und da. Mittlerweile haben die Jungs weitere Versteifungen zwischen die tragenden Pfosten eingebaut. Ich überlege ein wenig, wo ich die Durchbrüche für Wasser und Strom am besten brauchen könnte und wie ich die Windverkleidung am Besten machen werde. Auch muss ich mir überlegen, wie ich das lange Bauholz aus Evenskjer hierherbekomme, weil sowohl mein Auto als auch der Hänger ja keine > 4 m langen Teile transportieren können. Ich schlendere noch etwas am Ufer entlang - dort gibt es wunderschöne runde Steine. Die könnte ich doch als Wall benützen, statt eine künstliche Mauer zu bauen? Die Idee gefällt mir, nur - wie kommen die Steine auf mein Grundstück? Der Untergrund ist zu zerklüftet, um mit einem Schubkarren Erfolg zu haben. Ich werde mir was überlegen müssen....
Ok, dann muss ich die Baustelle wohl wieder verlassen. Gedanklich bin ich ganz wo anders. Ja, ich weiß, daß neben meiner Einfahrt ein tiefer Graben ist, aber ich hab einfach nicht aufgepaßt - und schon ist das rechte Hinterrad drin verschwunden. Das Fahrzeug sitzt auf und selbst mein Allrad bringt mich um keinen Milimeter nach vorn oder hinten. Die Jungs grinsen zu Recht! Aber sie helfen mir, mich rauszuziehen. Abschleppseil? Hab ich und finde ich auch! Allerdings nicht gut genug für die Beiden, sie nehmen ihr eigenes. Wo anbinden? Wo ist die Abschleppöse? So was braucht man doch nie! Deshalb weiß man auch nicht, wo die sein soll. Die gemeinsame Suche ist ergebnislos. Also muss ich wohl oder übel in die Bedienungsanleitung schauen. Das hilft, den Platz für die Öse zu finden. Die Öse selbst? Die soll beim Bordwerkzeug sein. Aber wo ist das? Irgendwann hab ich tatsächlich alles gefunden (peinlich!), Kevin wird angebunden und in Null-Komma-Nix ist er wieder draußen. Ganz schnell mach ich mich aus dem Staub. Da haben die Beiden nachher Gesprächsstoff und Spaß - sei's drum.

Um die Mittagszeit wollte Olav vorbeikommen. Es gibt viel zu besprechen und zu klären, sowohl fachliche Dinge als auch zwischenmenschliche. Er taucht aber nicht auf. Als er um 3 Uhr nachmittags immer noch nicht da ist, fahre ich einfach nochmal auf's Grundstück raus - keiner da! Der Wohnwagen ist jetzt auch weg, den haben die Jungs heute mittag mitgebracht - er war im Weg und auch nicht mehr erforderlich. Sie haben einen Teil der Terasse mit einer Plane bedeckt und haben darunter ein trockenes Plätzchen.
Kaum inspiziere ich den Fortschritt, schon kommt ein Auto direkt zu mir auf das Grundstück - es ist Olav. Er ist wohl direkt hierher gekommen und hat mich nicht vorher "zu Hause" gesucht. Eigentlich fallen wir gleich mit der Tür in's Haus - meine Verbannung. Verständnis für die Gründe ja, Akzeptanz noch nicht. Ok, reden wir über Fachliches. Wo soll der Strom hin, wo brauchen wir Auslässe für Wasser oder Abwasser? Olav und ich sind uns schnell einig. Olav bewundert auch das total massive Fundament, das mehrfach ausgesteift ist. Ich wollte vorschlagen, daß ich mich schon mal mit der Verkleidung der Terasse beschäftigen könnte, aber er meinte, der Unterbau wäre jetzt so stabil, daß eine Verkleidung wirklich nicht mehr notwendig wäre. Wenn ich von Kjetils Aussagen die 75 % Übertreibung abziehe, dann kann ich dem zustimmen und werde mir das Geld vorerst mal sparen.
Olav schlägt als Kompromiss vor, ich könne ja schon mal das Rohr für die elekrische Erdleitung verlegen und anbetonieren. Außerdem muss ein Graben bis zur Stromstation gegraben werden - zumindest ein stückweit von Hand. Ja, da wäre ich wirklich total beschäftigt!!! Die Station ist vielleicht 200 m weg? Und das über felsigen Untergrund. Ne, das mach ich nicht. Dazu muss ein Minibagger her - sieht Olav ein. Nun kommen auch die Jungs zurück und das brisante Thema "Verbannung" wird nocheinmal besprochen. Ich versuche, Mait auch meinen Standpunkt klar zu machen: ich wollte das Haus eigentlich mit eigenen Händen bauen, zumindest zum Teil. Ich kann aber verstehen, daß die beiden Profis keinen Lehrling haben wollen - dies ist aufgrund des schwierigen Geländes eine besonders heikle Baustelle. Außerdem haben sie schlechte Erfahrungen mit Bauherren gemacht, die jede Sekunde dokumentiert haben und dann bei der Bezahlung die Raucherpausen abgezogen haben. Ok - Standpunkte sind ausgetauscht. Wir können wieder miteinander reden. Mal schauen, wie lange das gut geht. Ich mache ein Späßchen, und frage, ob sie den Wohnwagen für mich vor's Haus gestellt haben? Das Eis scheint zu schmelzen.

Olav und ich fahren zum Haus und regeln noch ein paar finanzielle Dinge. Außerdem bekommt jeder noch ein paar Aufgaben: ich wegen Terassengeländer, das ich unbedingt selbst machen will, und wegen Grasdach; Olav zur weiteren Klärung der Elektrizität. Er bestätigt mir, daß die Elektriker-Rechnung von 30.000 Kronen nur für Sicherungskasten und eine einzige Steckdose doch etwas zu hoch gegriffen wäre. Allerdings ist der Elektriker grade im Urlaub. In Norwegen ist Juli und August Urlaubszeit - da bekommt man fast niemanden!

Olav ist weg, die Jungs kommen total durchfroren und klitschnass nach Hause und ich habe beschlossen, Viggo einen Besuch abzustatten. Viggo scheint hier alle Fäden in der Hand zu halten. Diesmal ist tatsächlich jemand zu Hause. Viggo und Ronda - und - Überraschung - Kjetil! Gar nicht schlecht, ich muss mit Kjetil nämlich klären, wie und wo und warum ich das Kabel über sein Grundstück legen darf. Viggo sagt, er hätte nicht die richtigen Maschinen für den Graben, also landen wir wieder bei Frank. Kjetil ruft ihn auch sogleich für mich an. Ist das nicht toll? Wir kommunizieren in 3 Sprachen gleichzeitig: Viggo und Ronda meist in norwegisch mit ein paar englischen Brocken, ich meist englisch mit ein paar norwegischen Brocken und Kjetil versucht, sein Deutsch zu verbessern. Klasse! Kjetil dient oft auch als Dolmetscher. Ronda bäckt Dampfnudeln oder so was ähnliches - es duftet köstlich und sie werkelt gemütlich in der Küche. Ich bekommen sogar einen Apfelkuchen angeboten, den ich aber diesmal ausschlage. Ich werde auf jeden Fall wieder zu Kaffee und Kuchen eingeladen! Ich glaube, die meinen das wirklich ernst! Leider fällt mir nichts ein, was ich den Beiden Gutes tun könnte.
Kjetil ist ein Spaßvogel und hat gutes Sitzfleisch. Ich glaube, Viggo wäre ganz froh, wenn er ihn mal wieder loswürde (zwinkert er mir zu). Ich frage Kjetil, ob ich mal sien Boot bewundern dürfte - ja! Bisher war das ja immer ziemlich geheim. Also verlassen wir Viggos gastliches Haus und fahren zum Bootshaus. Ich bewundere die viele mühsame Handarbeit, die Kjetil in 6 Jahren in das Boot investiert hat. Es war mal ein Fischerboot ohne Kajütenaufbau, den hat Kjetil selbst gemacht. Er zeigt und erklärt mir alles, er ist stolz darauf, was er hier schon alles vollbracht hat. Allerdings fehlen noch einige dicke Investitionen: die komplette elektrische Anlage, Motor und Schiffsschraube, Anker, Mast... Und es ist auch noch sehr viel Handarbeit durchzuführen, z.B. sind die Fensterrahmen der Kajüte noch nicht fixiert oder abgedichtet, es fehlen viele Beschläge, die Reling gibt es noch gar nicht und gestrichen ist überhaupt noch nichts. Das heutige Wetter läßt auf die nahende Sintflut schließen - das Boot heißt "Noah shark" - also, gib Gas, Kejtil! Auf jeden Fall erlebe ich Kjetil beim Vorstellen seines Bootes zum ersten mal ernsthaft. Er träumt von Griechenland, aber er möchte nur ein einziges grischisches Wort benutzen: Metaxa! Ha ha ha.

Ein letzter Blick auf die Baustelle: alle Versteifungen sind jetzt eingebaut, die Terasse ist fertig. Ich glaube, wenn das Wetter mitmacht, kann morgen mit dem Haus begonnen werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentarfunktion ist freigeschaltet - bitte als Profil Name/URL (URL muss man nicht eingeben) oder Anonym wählen.