Sonntag, 9. Juli 2017

Yeah - Wale!!!

Der Tag fängt "gut" an - meinen Frühstückstee kippe ich über Laptop und Handies aus - scheint aber alles nochmal gutgegangen zu sein. Abgesehen von der Sauerei - roter Früchtetee. Aber stimmt, das ist ja der Einstieg in einen neuen "roten" Malertag. Vielleicht.
Mait und Tauno feiern heute Sonntag, somit habe ich auf der Baustelle freie Fahrt. Die Südwand ist mit grundieren dran.
Es herrscht ein fantastisches Sonntagswetter! Viel zu schön zum arbeiten. Viel zu warm zum arbeiten! Der Schweiß läuft mir schon bald von der Stirn. Ich dachte, die Südseite wird easy, weil ja ebener Untergrund für die Leiter da ist.  Aber - der Firstbalken liegt etwa 5 m höher und kragt 1,5 m über die Wand hinaus! Da habe ich Zwerg überhaupt keine Chance. Ich mühe mich ab mit Leitern, Pinselverlängerungen und baue auch ein wackeliges Gerüst aus zwei Leitern und ein paar Planken. Aber da traue ich mich dann doch nicht hinauf - ist sicher auch besser so. Mit furchtbar viel Leiter umbauen erreiche ich dann doch an die meisten Stellen. Bis auf den Firstbalken und den vordersten Teil der nächstniederen Balkenlage kann ich alles erwischen. Über Kopf.  Mit strecken. Warm! Aber dafür trocknet die Grundierung ja auch schön schnell. Eigentlich soll sie ja einen Tag trocknen, aber ich mag mich morgen vor den Jungs nicht blamieren, also fange ich schon mal an den schwierigen Stellen mit Farbe an. Ja, es ist nicht nach Vorschrift. Und nach Vorschrift müsste ich auch die Farbe noch eine zweites Mal auftragen - aber ich bin sicher, das mache ich in diesem "Urlaub" nicht mehr!

In der Mittagspause genieße ich zum ersten mal auf einem Stuhl ganz bequem und bei Sonnenschein meine Terasse über dem Meer! Ist das herrlich! Und diese himmlische Ruhe!

Am Nachmittag zieht etwas Bewölkung auf, was das Arbeiten etwas leichter macht. Weiter geht's - es ist ja erst Halbzeit. Die Grundierung ist trocken und weil ich schon rot bin, mach ich einfach weiter. Mein Ehrgeiz ist jetzt, heute die Südwand fertig zu bekommen! Es ist schwierig, weil ich mit der Verlängerung den Pinsel nicht optimal führen  kann und dann die Farbe oft nicht deckt. Aber mich beobachtet ja keiner. Da kann ich mich gerne doof anstellen.
Ab und zu führt schon mal jemand vorbei, manche winken. Ein Mädchen mit rullerski (Langlaufski mit Rollen für den Sommer) rollert mehrmals vorbei. Eine Horde Harleyfahrer donnert vorüber.
Ragnar muss am Bootshaus etwas sägen, auf dem Rückweg fange ich ihn ab und teile ihm mit, daß ich demnächst auf seinem Grundstück graben muss, um das Elektrokabel legen zu können. Ok.
Kjetil holt ein paar Sachen aus seinem Bootshaus und schüttelt sich beim Anblick meiner Farbe. Traditionelle norwegische Bauernhausfarbe! Nichts für einen Architekten mit sehr ungewöhnlichem Geschmack! Aber er verkauft ja zum Glück alles drum herum, so daß er den Anblick nicht lange ertragen muss. Mit Kjetil kann man eingentlich nur blödeln....
Später fährt suchend ein roter VW-Bus vorbei, wendet, kommt in die Einfahrt. Was die wohl wollen? Ah, sie suchen Jans Haus, das zu verkaufen ist. Ganz da oben - steil hinauf - mit Schwung!
Und dann spaziert ein Mann mit Hund vorbei, der normalerweise immer vorbeijoggt. Wir haben uns schon ein paarmal zugewunken, aber diesmal scheint er reden zu wollen. Gut - dann lerne ich wieder einen Nachbarn kennen. 1 km weiter wohnt er, in einem grauen Haus und heißt Arne. Er spricht leider nur norwegisch, was ihm aber anscheinend nichts ausmacht. Er ist ganz schön neugierig und das Wichtigste scheint er zu verstehen - und ich auch. Mein Haus gefällt ihm. Ja, er darf mal reinkommen und sich alles anschauen. Als er sich dann verabschiedet, ist das schon fast ein bischen zu vertraulich - ich glaube, an langen dunklen Wintertagen laden ich ihn lieber nicht ein.

Endspurt - nur noch das Stück unterhalb der Fenster braucht Farbe. Das kann ich gemütlich am Boden sitzend bearbeiten. Irgendetwas stört mich jetzt aber, ein sonderbares Platschen. Mehrmals. Ja - Wale!!!! Es ist kaum was von ihnen zu sehen, nur ein kleines Stück der Rückenflossen ist manchmal zu erahnen. Sie sind von den Lofoten in den Fjord hereingekommen bis kurz hinter die Bootshäuser, dann drehen sie wieder um. Aber eine Zeitlang kann ich sie hier genießen, kaum 100 m vom Ufer weg! Aber hören kann ich sie, sie plätschern ein bischen. Aber am spannendsten ist ihr Atem - das klingt wie Darth Wader! Hoffentlich darf ich das noch oft erleben. Ist das nicht herrlich? Genau aus diesem Grund habe ich mich ja in dieses Grundstück verliebt!

Mit Terpentin pinsle ich mich selbst ein, um die dicke rote Farbkruste von den Armen zu bekommen. Sie verwandelt sich immerhin in einen Schleier. Zu Hause rücke ich ihr noch mit Seife und Bürste zu Leibe, aber ich muss vermutlich darauf vertrauen, daß auch Menschen sich ab und zu häuten.
In der Hoffnung, daß der Rotschleier wenigstens von Hemd und Hose verschwindet, kommen die Klamotten heut noch in die Waschmaschine. Wenn die schleudert, wackelt das ganze Haus. Manchmal wandert sie auch etwas in der Küche umher. Fleißig ist sie schon, aber die Farbe hält (hoffentlich auch am Haus)! Immerhin riecht die Wäsche jetzt wieder anders....

Spät kommt Viggo noch vorbei, um die Mülleimer rauszustellen. Ein kurzes Hallo und Gute Nacht.

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